Woher weiß ich, ob mein Steak von einem Tier stammt, das in Österreich großgezogen wurde oder einen langen Tiertransport aushalten musste? Ist regionales Fleisch automatisch von besserer Qualität? Wie kann ich mich im Dschungel der Gütesiegel besser orientieren? Im Interview mit Konsumentenschützer Mag. Stefan Göweil von der Arbeiterkammer Salzburg sind wir den drängendsten Fragen zum Thema Fleischkennzeichnung in Österreich auf den Grund gegangen.
Kennzeichnung von verpacktem Fleisch
1. Wie kann ich als Konsument nachvollziehen, woher das Fleisch in meinem Einkaufskorb kommt und unter welchen Bedingungen ein Tier gehalten wurde?
Göweil: Aufschluss gibt die Kennzeichnung, die auf der Verpackung zu finden ist: Verpacktes Rindfleisch muss seit der BSE-Krise im Jahr 2000 recht klar und deutlich gekennzeichnet werden. Zu den Pflichtangaben gehören der Ort der Geburt, Aufzucht bzw. Mästung und Schlachtung.
Bei verpacktem Schweine-, Geflügel-, Schaf- und Ziegenfleisch sind die Vorschriften weniger streng: Die Angabe des Geburtsorts ist nicht verpflichtend.
2. Dabei ist gerade die Angabe des Geburtsorts für kritische Konsumenten relevant …
Göweil: Richtig. Daraus können Verbrauchende ablesen, welchen Weg ein Tier hinter sich hat: Wurde es am Ort der Geburt geschlachtet und aufgezogen oder erst nach einem langen Tiertransport? Für viele Menschen ist das eine wichtige Information. Es wäre schön, wenn jede Fleischsorte so klar gekennzeichnet würde wie Rindfleisch.
3. Was könnte man bei der Fleischkennzeichnung verbessern?
Göweil: Aus unserer Sicht gibt es viele Sonderregeln, die den Herstellbetrieben als Schlupflöcher dienen. Ein Beispiel: Bei faschiertem Fleisch werden oft Tiere unterschiedlicher Herkunft oder verschiedene Tierarten zusammengemischt. Aufgrund von Sonderbestimmungen reicht es, wenn die Produzierenden angeben, ob die Tiere aus der EU oder aus Drittländern stammen. Ein klassisches Beispiel ist die Kennzeichnung „Aufgezogen in mehreren EU- und Nicht-EU-Ländern“. Für Konsumierende ist das eine wertlose Information: Sie können nicht mehr nachvollziehen, woher die Tiere stammen und welchen Weg sie von der Geburt bis zur Schlachtung hinter sich haben.
4. Stimmt es, dass verarbeitetes Fleisch (z.B. Wurst, Tiefkühllasagne, Hühnernuggets) nicht kennzeichnungspflichtig ist?
Göweil: Verarbeitetes Fleisch ist es von den Kennzeichnungsbestimmungen (siehe Punkt 1, Anm. d. Red.) ausgenommen. Überspitzt heißt das: Die Herstellbetriebe können ihrem Schweineschnitzel eine Prise Salz zufügen und schon müssen sie nicht mehr angeben, woher das Tier stammt.
Nur wenn die Gefahr der Täuschung besteht, müssen Produzierende die Primärzutat ihres Produktes kennzeichnen. Ein Beispiel: Ein Hersteller vertreibt Tiroler Bergkäse, die Hauptzutat ist jedoch Milch aus Italien. Die muss er in diesem Fall als Primärzutat angeben. Der Name des Produktes wäre sonst irreführend für die Konsumierenden. Aber auch hier gibt es immer diverse Sonderregelungen und Schlupflöcher.
Kennzeichnung von Frischfleisch
5. Wir haben bislang nur über die Kennzeichnung von verpacktem Fleisch gesprochen. Wie lässt sich die Tierhaltung und -herkunft beim Metzger oder an der Fleischtheke nachvollziehen?
Göweil: Für offene Ware bzw. Frischfleisch gibt es im Grunde keine Kennzeichnungsbestimmungen. Da müssen sich Konsumierende auf die Angaben der Verkäuferin oder des Verkäufers verlassen.
6. Wie erkenne ich beim Restaurantbesuch, wo das Schnitzel oder die Gans herkommt?
Göweil: Die Situation der Kennzeichnung in der Gastronomie ist aus Konsumentenschutzsicht völlig unbefriedigend. Abgesehen von der Allergenkennzeichnung sind Gastronomiebetriebe nicht dazu verpflichtet, die Herkunft und Rohstoffe anzugeben. Sie müssen noch nicht einmal kennzeichnen, ob ein Gericht frisch gekocht ist, oder ob es sich um ein Fertigprodukt handelt.
7. Im Restaurant kann ich mich auch beim Wirt über die Herkunft des Fleisches erkundigen …
Göweil: Richtig, das ist auch sehr zu empfehlen. Als Gast habe ich jedoch das Problem, dass ich die Angaben nicht überprüfen kann. Das können nur die Lebensmittelaufsichtsorgane. Sie haben Zugriff auf die Lieferpapiere und sind in der Lage, genau nachzuvollziehen, woher das Fleisch kommt. Endkonsumierende haben diese Möglichkeit nicht: Sie müssen sich jede Information mühsam erarbeiten und haben keinen Rechtsanspruch darauf, eine genauere Auskunft zu erhalten. Hinzu kommt, dass die Gastronomie aus unserer Sicht zu wenig kontrolliert wird.
Gütesiegel
8. Welche Rolle spielen Gütesiegel bei der Kennzeichnung von Fleisch und Fleischprodukten?
Göweil: Grundsätzlich sind Gütesiegel eine gute Möglichkeit, um sich beim Lebensmitteleinkauf zu orientieren. Inzwischen gibt es in Österreich aber weit mehr als 100 Lebensmittelsiegel von Unternehmen, Vereinen oder Handelsketten. Für Konsumierende ist der Markt sehr undurchsichtig. Hinzu kommt, dass Gütesiegel meist nur anlassbezogen sind: Das eine Siegel steht für regionale Lebensmittelproduktion, das andere für Tierwohl und das nächste wirbt mit dem Verzicht auf Palmöl.
Kritisch sehen wir auch, dass es in Österreich kein wirkliches Gütesiegel-Gesetz gibt. Das einzig gesetzliche Gütesiegel ist das der AMA. Es garantiert, dass ein Tier sein ganzes Leben in Österreich verbracht hat. Auch dabei gibt es jedoch Schwachstellen und Nachbesserungsbedarf.
9. Was halten Sie als Konsumentenschützer von Bio-Siegeln?
Göweil: Auf EU-Ebene gibt es das EU-Biogütesiegel. Das ist gesetzlich normiert und sehr gut reglementiert. Mittlerweile gibt es auch viele Bio-Siegel von Unternehmen, Vereinen und Handelsketten. Diese müssen nicht unbedingt schlecht sein und gehen teilweise deutlich über die Standards des doch schon recht strengen EU-Biosiegels hinaus.
10. Wie kann ich mich als Konsument im Gütesiegel-Dschungel orientieren?
Göweil: Die meisten Labels sind mehr oder weniger transparent. Die Attribute, nach denen sie vergeben werden, sind auf den diversen Homepages einsehbar. Die Frage ist, ob ich als Konsumierender die Möglichkeit habe, die Einhaltung der Kriterien und Versprechungen auch tatsächlich nachzuprüfen. Um die Vertrauenswürdigkeit zu erhöhen, lassen sich manche Gütesiegel mittlerweile von externen Kontrollstellen zertifizieren, die wiederum ebenfalls zertifiziert werden müssen.
Zudem gibt es diverse Wegweiser durch den Gütesiegel-Dschungel, wie z.B. den Gütesiegel-Ratgeber der Arbeiterkammer. Dieser wird laufend aktualisiert und kann kostenlos angefordert oder heruntergeladen werden.
11. Werden die einzelnen Betriebe in Bezug auf die Einhaltung von Gütesiegel-Kriterien ausreichend überprüft?
Göweil: Jedes noch so eng gestrickte Netz aus Verordnungen und Bestimmungen nützt nichts, wenn es nicht regelmäßig kontrolliert wird. Im konventionellen Bereich gibt es aus unserer Sicht zu wenige Kontrollen.
Gerade im Bio-Bereich haben wir jedoch die Erfahrung gemacht, dass die Kontrollen gut funktionieren. Auch die Dokumentationspflicht für Bio-Betriebe ist sehr umfangreich und zeitaufwendig. Und es gibt strenge Sanktionen, die sogar zum Verlust des Bio-Status führen können. Wenn überall so streng kontrolliert würde, wie im Bio-Bereich, wären wir sehr glücklich.
Massentierhaltung
12. Ist es wahr, dass sich Österreich mit Fleisch gänzlich selbst versorgen könnte? Warum wird Warum wird dennoch so viel Geflügel & Co. aus dem Ausland importiert?
Göweil: Mit Rind und Kalb könnten wir tatsächlich eine Vollversorgung sicherstellen. Auch mit Schweinefleisch wäre das knapp möglich. Bei Geflügel und Fisch sind wir auf ausländische Lieferanten angewiesen.
Wir müssen bedenken: Österreich importiert nicht nur Fleisch, sondern exportiert auch welches ins Ausland. Das ist eben der Warenverkehr des freien Marktes. Das Problem daran: Wir importieren vor allem billiges Fleisch aus dem Ausland, z.B. für die Wurstproduktion. Auch die Gastronomie hat einen großen Anteil daran, dass Fleisch importiert wird, das günstiger ist und möglicherweise nicht den normalen europäischen Standards entspricht.
13. Viele Konsumenten sind der Meinung, dass österreichisches Fleisch pauschal von guter Qualität ist, während ausländisches Fleisch als eher minderwertig betrachtet wird. Wie sehen Sie das?
Göweil: Regionalität tritt als Kaufkriterium zunehmend in den Vordergrund. Das ist zu begrüßen, weil in der Regel lange Transportwege wegfallen. Allerdings gibt es auch in Österreich Betriebe, wo es zu Tiervernachlässigung bis hin zu Tierquälerei kommt.
14. In Österreich gibt es aber weit weniger Massentierhaltung als im Ausland.
Göweil: Das ist ein topographisches Thema. In Österreich gibt es weniger große Flächen und flache Ebenen als in anderen Ländern. Die wenigen, die wir haben, werden hierzulande eher für Gemüseanbau genutzt. Extreme Massentierhaltungen gibt es in Österreich daher bei Weitem nicht in dem Ausmaß wie in Polen, den Niederlanden oder Deutschland.
15. Studien belegen: Ein hoher Fleischkonsum schadet Tieren und Umwelt. Wie kann ich als Konsument aktiv dagegen steuern?
Göweil: Dazu muss man wissen: Massentierhaltung bedeutet Tierhaltung in großer Form. Je mehr Tiere, desto höher der Co2-Ausstoß und der Bedarf an Futter, Wasser und Weideflächen.
Ein Ansatz könnte es sein, vermehrt Bio-Fleisch zu kaufen. Vor allem bei Schweinen ist das Angebot an Bio-Fleisch jedoch äußerst überschaubar. Es gibt kaum Schinken oder Wurst in Bio-Qualität. Bei Rind und Huhn ist das Angebot zwar etwas besser, jedoch eine Preisfrage: Bio-Huhn kostet etwas dreimal so viel wie konventionell gemästetes Huhn. Auf Dauer ist das nur für Bestverdiener machbar.
Auch klingt es immer so schön, wenn gesagt wird, man solle sein Fleisch doch einfach vom Bauernhof des Vertrauens beziehen. Wenn ich mir einen Ballungsraum wie Wien ansehe, ist das jedoch illusorisch. Letztendlich muss man den Hebel am Ursprung ansetzen und den individuellen Fleischkonsum reduzieren.
16. Also ist Eigenverantwortung gefragt?
Göweil: Es gilt, das eigene Konsumverhalten zu überdenken. Wer die Prämisse hat, jeden Tag Fleisch und Wurst auf dem Teller zu haben, wird von der Massentierhaltung nicht wegkommen. Man sollte sich nicht von billigem Fleisch ködern lassen, sondern wieder mehr auf Gemüse oder andere Nahrungsmittel setzen. Ein guter Ansatz wäre es, Fleisch wieder als etwas Wertvolles zu betrachten, dem man die entsprechende Wertschätzung entgegenbringt.
Aber es ist auch klar: Die „Macht“ der Konsumierenden ist nicht so groß, wie es oft dargestellt wird. Politik und Gesetzgeber schwindeln sich hier aus ihrer Verantwortung. Dort werden die Rahmenbedingungen für die Nahrungsmittelproduktion gemacht. Dort müssen die richtigen Entscheidungen getroffen werden.